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Die 90er Jahre: Die besten Actionfilme des Jahrzehnts II

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Die 90er markieren den Wandel eines Genres, das sich seitdem immer noch nicht wieder gefunden hat. In den 90ern starben die 80er Actionhelden, die Rambos, die Rockys und die Norris’ und machten Platz für eine Actiongeneration, die immer noch auf der Suche nach sich selbst ist. Muskelpakete hatten ausgedient, Jungs wollte niemand sehen und so wankt das Genre seitdem zwischen Zynismus, Themenleere und beißender Selbstironie. Die herausragenden Perlen präsentieren sich meist als Hybriden zwischen Action, Crime und Thrill und passen im Vergleich zu ihren Vorfahren so überhaupt nicht gern in die engen Schubladen des Genres… Damit sind die 90er auch so etwas wie ein nostalgisches Actionjahrzehnt, ein Schwellenjahrzehnt für Actionfilme, ein Jahrzehnt, in dem sich die letzten Tapferen aufbäumten, die letzten großen (!) Genrekinohits geboren wurden und starben, ein Jahrzehnt des Übergangs und des Platzmachens… ein Platz, der auch 20 Jahre später, heute, immer noch nicht vernünftig gefüllt worden ist.

Heat [Michael Mann]

(USA 1995)

Wir beginnen mal mit einem Hybriden, der gleich in ein paar Dutzend Genres eingeordnet werden könnte: Thriller, Drama, Copfilm, Gangsterballade und auch – und tatsächlich sehr wesentlich – Action. Michael Mann, der in den 90ern gerade dabei war sich einen Ruf als hervorragender Regisseur zu erarbeiten, schuf mit Heat einen knallharten und zugleich poetischen Thriller, inszeniert diesen mit furiosen – perfekt geplanten Actionszenen – und drückt damit jeden Zuschauer tief hinein in die Kinosessel. Der Kampf zwischen Cop und Gangster (DeNiro vs. Pacino; was an sich schon ein Freudenfest ist), ist sowohl trocken als auch dramatisch inszeniert, scheut sich nicht vor ruhigen Momenten und präsentiert die actionreichen Schlüsselsequenzen als spannendes und düsteres Duell. Ein ernster, nachdenklicher und dennoch exzessiver Actionthriller, der geschickt die Grenzen seiner Genres auslotet und immer wieder überschreitet.

Last Action Hero [John McTiernan]

(USA 1993)

Die 90er besiegelten das Ende einer Ära: Der klassische, muskulöse 80er Jahre Actionheld starb langsam aus, musste Platz für die kommende Generation an Heroen machen. Kein Film verkörpert diesen Untergang der muskelbepackten Testosteronmonster so gut wie die Fantasy Actionkomödie “Last Action Hero”: Nicht nur weil Arnold Schwarzenegger hier vollkommen unbekümmert, selbstironisch sich und seine eigenen Rollen aufs Korn nimmt, sondern auch, weil der Film damals von der Kritik heftig zerrissen wurde: Dabei ist “Last Action Hero” nicht nur ein großartiger, überzeichneter Actioneer und unterhaltsames Popcornkino sondern auch eine Form des Abschieds von Arnold Schwarzenegger, der hier noch einmal vollkommen Over The Top Actionheld sein darf. Die irrwitzige Farce wird dadurch zu einem Stück Filmgeschichte, zu einer wehmütigen Verbeugung vor einem Genre, das sich im Wandel befindet, zu einem nostalgischen und offenen Kommentar zur Entwicklung des Actionkinos der 90er… achja; verdammt kurzweilig und unterhaltsam ist das Ding natürlich auch noch.

Speed [Jan De Bont]

(USA 1993)

And there’s the new generation. In Speed wird wie in so vielen 90er und 00er Actionstreifen der Actionheld  zur Nebensache degradiert, glänzt weder durch coole Oneliner noch durch überbordernde Muskeln. Stattdessen steht das Objekt im Mittelpunkt: Hier, ein Linienbus, von einem verbitterten Terrorsiten mit C4 ausgestattet… Fährt er langsamer als 80 Stundenkilometer, fliegt er in die Luft. An Bord ein Dutzend hysterischer Passagiere, der neue post80er Actionheld in Form eines anständigen – hin und wieder gegen die Regeln verstoßenden – Polizisten und einer leicht schrulligen jungen Dame, die das Gefährt durch den New Yorker Verkehrsdschungel führen muss. Speed ist wie der Titel schon verspricht vollkommen auf den Geschwindigkeitsrausch und das Adrenalin des städtischen Verkehrs konzentriert. Eine spannende, actiongeladene, perfekt geschnittene Odyssee, die weder markanten Antihelden noch steroides Kraftpaket benötigt, um perfekt unterhalten und kicken zu können.

Once upon a Time in China [Wong Fei-hung]

(Hongkong, 1991)

Der Wuxia-Film war in den 90ern eher ein stiefmütterlich behandeltes Genre, bevor er zu Beginn des 21. Jahrhunderts durch Filme wie “Tiger & Dragon” und “Hero” eine goldene Renaissance erlebte. “Once upon a time in China” gehört zu den wenigen Werken des 90er Wuxia-Kinos, des stilisierten Martial Arts, der bewusst auf physikalisch unmögliche Choreographien und damit verbunden fantastische, surreale Kämpfe setzt. Die epische Heldensaga im China des ausgehenden Jahrhunderts spielt geschickt mit den Wechselwirkungen von traditionellem Kampf und Kampfmoral sowie der beginnenden Moderne und dem Clash of the Cultures. Das Schwellenwerk beeindruckt mit herausragenden, poetischen Kampf- und Actionsequenzen, viel Schweiß, schierem Körpereinsatz und stilisierter Kampf- und Heldenromantik.

Auf der Flucht [Andrew Davis]

(USA 1993)

Harrison Ford flieht und rennt… als unschuldig zum Tode Verurteilter muss er sich nicht nur das Gesetz – in Form des hervorragenden Tommy Lee Jones – vom Leib halten, sondern zugleich auch den Mord an seiner Frau aufklären. Der spannende – sich fast ständig in Bewegung befindende – Actionthriller “Auf der Flucht” (eine Kinoumsetzung der gleichnamigen Fernsehserie) ist ungemein temporeich, spannend und vollgepackt mit adrenalinschwangeren Actionsequenzen. Das Katz- und Mausspiel durch mehrere Bundesstaaten besticht ganz nebenbei auch noch als clevere Kriminalgeschichte und geschickt konstruierte Schnitzeljagd. Ein eleganter und zeitloser Hybrid sowohl für das Thriller- als auch das Actionfilmpublikum.

Last Man Standing [Walter Hill]

(USA 1996)

Zu 90er Releasezeiten noch verschmäht und ätzend kritisiert, hat sich “Last Man Standing” im Laufe der jüngsten Filmgeschichte zu einem kleinen Kultfilm gemausert. Und das verdient dieses knochentrockene, beinharte Remake von Akira Kurosawas Yojimbo auch ohne Zweifel. Der düstere, schwarzhumorige Bastard aus Action, Spätwestern, Spaghettiwestern, Thriller und lakonischem Gangstermelodram ist bissig, rabenschwarz und eiskalt zynisch bis bitterböse misanthropisch. Die Saga vom einsamen Revolverhelden ist zudem ein hochästhetisiertes, stilisiertes und sich vor allerhand Filmvorbildern verbeugendes Actionspektakel, das sich irgendwo zwischen Comic, poetischer Ballade und dreckiger Bad Boy Action bewegt und auf jeder dieser Hochzeiten unendlich wohl zu fühlen scheint. Ein kleines, fieses B-Movie-Actionjuwel, ein Abgesang auf das Genre und ein knallharter, dreckiger Actionthriller ohne Kompromisse.

Drunken Master [Liu Chia Liang, Jackie Chan]

(Hongkong 1994)

Jetzt heisst es erst einmal ein wenig mit der Titelverwirrung aufräumen. Drunken Master ist ursprünglich der zweite Teil der Drunken Master Reihe, dessen direkter Vorgänger in Deutschland allerdings unter dem Titel “Sie nannten ihn Knochenbrecher” (1978) veröffentlicht wurde. So wurde aus dessen Fortsetzung kurzerhand ein erster Teil für das deutsche Filmpublikum… Ist aber auch eigentlich vollkommen egal, ebenso wie die Story um Korruption und Schmuggelgüter. Was in diesem Martial Arts Comedy Hybriden zählt, sind die kongenialen Kampf- und Stunteinlagen Jackie Chans, der unter Einfluss von Alkohol zur wahren Martial Arts Bestie mutiert. Und mit diesen Fähigkeiten, kämpft, springt und tanzt er sich dann durch irrwitzige Choreographien, halsbrecherische/knochenbrecherische Stunts und jede Menge Fightaction: Furios, sau komisch, virtuos, kinnladenfallend, einzigartig.

Demolition Man [Marco Brambilla]

(USA 1993)

Noch ein sterbender Actionheld der 80er Jahre. Und wie Arnie überlebte auch Stallone, indem er das Stilmittel der Ironie für sich entdeckte. “Demolition man” ist ein straighter Crossover aus Action, Science Fiction und sarkastischem Humor, ebenfalls komplett Over The Top, überzeichnet, comichaft und dabei mitunter sau komisch, oft genug sogar mit – wenig subtilem – gesellschaftskritischen Anstrich. Allein die Disposition des 80er Actionheroen, der sich in der friedlichen, gewaltfreien und langweiligen Zukunft zurecht finden muss ist Genrereflexion par Excellence… Das Actionfeuerwerk, das Stallone und Snipes daraus machen, sucht aber tatsächlich seinesgleichen. Demolition Man ist platt, simpel in seinen Aussagen, aber gleichzeitig ein wunderbares, geladenes und polterndes Actionspektakel für kleine Jungs.

Face/Off – Im Körper des Feindes [John Woo]

(USA 1997)

Wo die 80er Actionheroen ihrem Sterben – und dem Wandel ihres Genres – mit Selbstironie (oder wie im falle Seagal, Lundgren mit Selbstplagiatur) begegneten, transferierte Hongkong Action Veteran John Woo, seine pathetischen Action-Ballettstücke nach Hollywood, um damit als einer der wenigen die Fahne des “ernsten” Actioneers aufrecht zu halten. Face/Off ist ein bildgewaltiges Actiondrama, in seinem Habitus theatralisch – mitunter näher an der Oper als am amerikanischen Actionfilm – zugleich aber auch straight, laut und adrenalingetränkt. Ein großes, hochdramatisches, über- und überstilisiertes Actionfeuerwerk zwischen Eskapismus, düsteren Rollenspielen und knallharter Action. Der beste Kompromiss zwischen der kompromisslosen Inszenierung Woos und den klassischen Hollywood-Actionschemata und vollkommen zurecht ein Klassiker des Genres.

Alarmstufe Rot [Andrew Davis]

(USA 1993)

Wo wir gerade beim Thema Selbstplagiatur waren… Steven Seagal stellt hierfür ein Musterbeispiel dar. Er gehört zu den wenigen, die auch in den 90ern die Insignien des gewaltverherrlichenden, stumpfen und eindimensionalen 80er Actionkinos wahrten. Alarmstufe Rot besitzt alles, was  eben jenes sterbende Subgenre auszeichnet: Pathos, übertriebene Brutalität, fragwürdige Moral, ein alles überblickender, jeden in die Flucht schlagender Held und natürlich viel Action. Dennoch ist der zelluloid gewordene Anachronismus ein Unikat in der Reihe zahlloser prolliger Actionstreifen, die in den 90ern nur noch in der Videothek ihr Weiterleben künstlich verlängerten: Denn Alarmstufe Rot macht alles richtig, um sich von der breiten Masse an Action-B-Movies abzuheben. Er ist clever konstruiert, bildgewaltig inszeniert, mit einem ordentlichen Schuss Albernheit gesegnet, hat sogar überragende Schauspieler an Bord und ballert und kämpft sich dadurch in Gefilde, die den meisten Filmen dieses Schlags verwehrt bleiben. Ein packender Actiontrip, ein letztes Aufbäumen der 80er und ebenso ein großartiger Schlussakkord für dieses Jahrzehnt… Wäre es nur dabei geblieben…


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